Historischer Werdegang der Freiherren von Wolff als Britische Kaufleute in Sankt Peterburg

Die britischen Kaufleute waren ab dem 17. Jahrundert in Faktoreien organisiert. Mit der Ernennung Sankt Petersburgs durch Peter den Großen zur neuen Hauptstadt Russlands wurde die Faktorei 1723 von Moskau nach Sankt Petersburg verlegt.

Im 17. Jahrhundert gab es britische Faktoreien in Reval, Narva und Archangelsk die mit dem Beginn des Nordischen Krieges sich auflösten. Im Jahr 1720 gab es nur noch eine englische Familie in Reval, die Familie Clayhills, die sich in Reval bereits 1680 niedergelassen hatte.

Im Baltikum war die livländische Hauptstadt Riga die einzige Handelsmetropole, die sich neben Sankt Petersburg behaupten konnte. Dies wurde nur ermöglicht, weil die deutschen Hansestädte an den Handelsbeziehungen mit Riga festhielten. Hier war im 18. Jahrhundert die zweitgrößte "Britische Kolonie", die 1789 rund 150 Mitglieder zählte.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts entwickelte sich Sankt Petersburg zur größten britischen Gemeinde in Russland. Gab es Anfang 1720 nur drei bekannte englische Familien in Sankt Petersburg, waren es bereits Mitte 1720er 200 Briten, 1781 zählte die britische Kirche in Sankt Petersburg 482 Mitglieder. Eine genaue Zahl darüber exisiterit nicht, jedoch dürften es um 1790 ca. 1.500 Briten in Sankt Petersburg gewesen sein. Im Vergleich hierzu die ungefähren Zahlen der anderen Volksgruppen:

Briten 1.500 / Deutsche 17.660 / Finnen 3.700 / Franzosen 2.290 / Schweden 1.860 und Holländer 50.

Einbürgerung von Deutschen und deren Stellung in Sankt Petersburg

Schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts wurden einige deutsche Kaufleute in England eingebürgert, dazu gehörte bspw. die Familie Schiffner. Im Herbst 1711 wurde er in England eingebürgert und eröffnete sogleich in Sankt Petersburg ein Handelshaus und siedelte über. Der in Moskau geborene Hermann Meyer erwarb 1715 die britische Staatsangehörigkeit und trat im gleichen Jahr der Russian Company bei. Im Jahr 1725 wurde Jakob Wolff aus Narva britischer Staatsbürger und siedelte direkt nach seiner Einbürgerung nach Sankt Petersburg.

Insbesondere wurden deutsche Kaufleute eingebürgert, weil man sich dadurch einen höheren Vorteil erhoffte. Für die deutschstämmigen Kaufleute brachte die Einbürgung insbesondere den Vorteil des Zugangs zum britischen Kapital- und Kolonialmarkt.

Insbesondere hatten die Deutschen in Russland schon seit langem ein residentielles Verhalten entwickelt. Sie integrierten sich gut in das russische Gesellschafts- und Wirtschaftsleben und begleiteten hohe Ämter am russischen Hof. Hinzu kamen die Baltendeutschen Adelsfamilien und die deutschstämmigen Familien in den Hansestädten, so dass sich im 18. Jahrhundert die bürgerliche Oberschicht aus vielen Deutschen zusammensetzten. Die Deutschen verfügten über entsprechende Kenntnisse und familiäre Verbindungen zur russischen Elite und gehörten dieser teilweise auch an. Dies war wahrscheinlich einer der Hauptgründe, was die Deutschen für die Briten so attraktiv machten.

"Durch die Deutschrussen gewannen die britischen Kooperationspartner einen unmittelbaren Zugang zur politischen und wirtschaftlichen Elite Russlands. Wolffs Verbindungen zur russischen Führungsspitze veranlaßten den britischen Botschafter Lord Tyrawley, ihn als britischen Konsul vorzuschlagen."

Der Einfluss der Deutschen war so groß, dass im englischen Klub in Sankt Petersburg Deutsch gesprochen wurde. Auch erschienen "Das englische Wochenblatt in Deutscher Sprache" und das "Englische Magazin" in deutscher Sprache.

Beteiligung an Handelshäusern

Die Familie Wolff war an folgenden Handelshäusern direkt beteiligt:

Schiffner & Wolff / Sankt Petersburg

Jacob Wolff & Edwards / Sankt Peterburg

Wolff & Pickard / Sankt Petersburg

Einfluss und Handelstüchtigkeit der Familie Wolff

Anhand zweier Beispiele kann man gut erkennen, welche Rolle im 18. Jahrhundert die Familie Wolff im Handelsgeschehen in Sankt Petersburg spielte.

Preußisch-britische Konkurrenzkampf um die Belieferung der russischen Armee mit Tüchern und der Rhabarberkonflikt

Die Briten waren bis 1720 Hauptlieferant der russichen Armee mit Tüchern und Stoffe. Die Preußen erkannten Ihre Chance und bauten Kapazitäten auf. 1724 übernahm die Berliner Kompanie von den Briten die Belieferung der russischen Armee, was unweigerlich zu einem Konflikt führen mußte. Belieferten die Briten noch 1720 für 200.000 Rubel die russische Armee, so waren es 1728 nur noch 60.000 Rubel. Insbesondere taten sich in der Krise das Handelshaus Schiffner & Wolff hervor, denen es gelang bis 1733 nahezu alle Tüchergeschäfte mit Russland unter ihrem Hause zu vereinigen. Dies war nur möglich, weil die Familie Wolff mehrere Jahre alle ihre Konkurrenten unterbot und einen Verlust von 200.000 Rubel in Kauf nahm. Nachdem Schiffner & Wolff zum Hauptlieferanten für die russische Armee geworden waren, hoben sie die Preise schrittweise an. Der britisch-preußische Konflikt endete im Jahr 1738 mit der Auflösung der Berliner Kompanie. Die Schiffner & Wolff stieg zu einer der mächtigsten und einflussreichsten Handelsgesellschaften in Sankt Petersburg auf.

Ähnlich geschick agierten Schiffner und Wolff im Rhabarberkonflikt. Dieser Konflikt fand zwischen zwei konkurrierenden britischen Kaufmannsgruppen statt. Auf der einen Seite Schiffner und Wolff und auf der anderen Seite Chittey und Meyer. Augrund der guten Kontakte konnten Schiffner & Wolff auch diesen Konflikt zu ihrem Gunsten entscheiden.

So schreibt man über Jakob Wolff:

"Seine Karriere im Dienste Großbritanniens war einzigartig. Auf Grund seiner wirtschaftlichen Verdienste u.a. im Kampf gegen Preußen und seiner Verbindungen, ernannte ihn die britische Regierung 1745 zum britischen Generalkonsul in Petersburg und wenige Jahre später zum Miniterresidenten. Um 1750 galt Wolff als einer der reichsten Männer in Petersburg. Er hinterließ ein Vermögen von 120.000 Pfund. Schiffner und Wolff betätigten sich aber nicht nur als Kaufleute, sondern auch als Bankiers. Anthony Cross zufolge gab es kaum einen ausländischen Diplomaten oder russischen Staatsmann ... der nicht in seiner Schuld stand. In der Hoffnung, durch Wolff einen größeren Einfluss beim russischen Hof zu erlangen, verlieh ihm der Wiener Hof 1748 den Baronstitel. Wolff blieb jedoch den britischen Interessen eng verbunden. Er starb 1759."

Darüber hinaus berichtete Robert Keith, der eine zeitlang bei Wolff lebte: "nobody can live better than my landlord Baron Wolff & nobody is better served or has greater variety of wine & all good things".

In Sankt Petersburg gab es zu dem wollfschen Anwesen eine "Kleine Wolffstrasse" und eine "Große Wolffstrasse". Die "Große Wolffstrasse" existiert heute noch in Sankt Petersburg.

Quellen: siehe Impressum